Gründung der ersten Gemeinden in Europa (Kapitel 16–20)

Paulus gewinnt Timotheus als Mitarbeiter

16 Nachdem Paulus die Stadt Derbe besucht hatte, erreichte er schließlich Lystra. Dort traf er Timotheus, einen Christen. Seine Mutter, auch eine Christin, war jüdischer Abstammung, sein Vater ein Grieche. In den Gemeinden von Lystra und Ikonion wurde Timotheus sehr geschätzt. Ihn nahm Paulus als weiteren Begleiter mit auf die Reise. Um auf die Juden in diesem Gebiet Rücksicht zu nehmen, ließ Paulus ihn vorher beschneiden. Denn alle wussten, dass der Vater von Timotheus ein Nichtjude war.

In jeder Stadt, durch die sie reisten, berichteten sie den Gemeinden über die Beschlüsse der Apostel und Gemeindeleiter von Jerusalem; alle Christen sollten sich danach richten.

So wurden die Gemeinden im Glauben immer fester, und die Zahl der Gemeindeglieder nahm täglich zu.

Der Heilige Geist weist Paulus den Weg nach Europa

Nach ihrem Aufenthalt in Lystra zogen sie durch den phrygischen Teil der Provinz Galatien[a]. Denn der Heilige Geist hatte sie erkennen lassen, dass sie in der Provinz Asia Gottes Botschaft noch nicht verkünden sollten. Auch als sie in die Nähe von Mysien kamen und weiter nach Norden in die Provinz Bithynien reisen wollten, erlaubte es ihnen der Geist von Jesus nicht.

So zogen sie an Mysien vorbei und erreichten die Hafenstadt Troas. Dort sprach Gott nachts in einer Vision zu Paulus. Der Apostel sah einen Mann aus Mazedonien, der ihn bat: »Komm nach Mazedonien herüber und hilf uns!« 10 Da war uns[b] klar, dass Gott uns gerufen hatte, den Menschen dort die rettende Botschaft zu verkünden. Wir suchten sofort nach einer Gelegenheit zur Überfahrt.

In Philippi entsteht die erste Gemeinde in Europa

11 Wir gingen in Troas an Bord eines Schiffes und segelten auf dem kürzesten Weg zur Insel Samothrake, am nächsten Tag weiter nach Neapolis, 12 und von dort begaben wir uns landeinwärts nach Philippi, der bedeutendsten römischen Kolonie in diesem Teil der Provinz Mazedonien. Hier blieben wir einige Tage.

13 Am Sabbat gingen wir hinaus aus der Stadt und kamen an das Flussufer, wo sich – wie wir annahmen – eine kleine jüdische Gemeinde zum Gebet versammelte. Wir setzten uns und sprachen mit den Frauen, die sich dort eingefunden hatten. 14 Zu ihnen gehörte Lydia, die an den Gott Israels glaubte. Sie stammte aus Thyatira und handelte mit Purpurstoffen. Während sie aufmerksam zuhörte, ließ der Herr sie erkennen, dass Paulus die Wahrheit verkündete. 15 Mit allen, die in ihrem Haus lebten, ließ sie sich taufen. Danach forderte sie uns auf: »Wenn ihr davon überzeugt seid, dass ich an den Herrn glaube, dann kommt in mein Haus und bleibt als meine Gäste.« Sie gab nicht eher Ruhe, bis wir einwilligten.

16 Auf dem Weg zur Gebetsstätte begegnete uns eines Tages eine Sklavin. Sie war von einem Dämon besessen, der sie wahrsagen ließ. Auf diese Weise brachte sie ihren Besitzern viel Geld ein. 17 Die Frau lief hinter Paulus und uns anderen her und schrie: »Diese Männer sind Diener des höchsten Gottes und zeigen euch, wie ihr gerettet werden könnt!«

18 Das wiederholte sich an mehreren Tagen, bis Paulus es nicht mehr ertragen konnte. Er wandte sich zu der Frau um und sagte zu dem Dämon: »Im Namen von Jesus Christus befehle ich dir: Verlass diese Frau!« In demselben Augenblick verließ der Dämon die Sklavin.

19 Als aber ihre Besitzer merkten, dass sie mit ihr nichts mehr verdienen konnten, packten sie Paulus und Silas und schleppten die beiden auf den Marktplatz zur Stadtbehörde. 20 »Diese Männer bringen unsere Stadt in Aufruhr«, beschuldigte man sie vor den obersten Beamten der Stadt. »Es sind Juden! 21 Sie wollen hier Sitten einführen, die wir als römische Bürger weder befürworten noch annehmen können!«

22 Da stellte sich die aufgehetzte Menschenmenge drohend gegen Paulus und Silas, und die obersten Beamten der Stadt ließen den beiden die Kleider vom Leib reißen und sie mit Stöcken schlagen. 23 Nachdem sie so misshandelt worden waren, warf man sie ins Gefängnis und gab dem Aufseher die Anweisung, die Gefangenen besonders scharf zu bewachen. 24 Also sperrte er sie in die sicherste Zelle und schloss zusätzlich ihre Füße in einen Holzblock ein.

25 Gegen Mitternacht beteten Paulus und Silas. Sie lobten Gott mit Liedern, und die übrigen Gefangenen hörten ihnen zu. 26 Plötzlich bebte die Erde so heftig, dass das ganze Gefängnis bis in die Grundmauern erschüttert wurde; alle Türen sprangen auf, und die Ketten der Gefangenen fielen ab.

Ein Gefängnisaufseher kommt zum Glauben

27 Aus dem Schlaf gerissen sah der Gefängnisaufseher, dass die Zellentüren offen standen. Voller Schrecken zog er sein Schwert und wollte sich töten, denn er dachte, die Gefangenen seien geflohen.

28 »Tu das nicht!«, rief da Paulus laut. »Wir sind alle hier.« 29 Der Gefängnisaufseher ließ sich ein Licht geben und stürzte in die Zelle, wo er sich zitternd vor Paulus und Silas niederwarf. 30 Dann führte er die beiden hinaus und fragte sie: »Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden?«

31 »Glaube an den Herrn Jesus, dann werden du und alle, die in deinem Haus leben, gerettet«, erwiderten Paulus und Silas. 32 Sie verkündeten ihm und allen in seinem Haus die rettende Botschaft Gottes.

33 Der Gefängnisaufseher kümmerte sich noch in derselben Stunde um Paulus und Silas, er reinigte ihre Wunden und ließ sich mit allen, die zu ihm gehörten, umgehend taufen.

34 Dann führte er sie hinauf in sein Haus und bewirtete sie. Er freute sich zusammen mit allen, die bei ihm lebten, dass sie zum Glauben an Gott gefunden hatten. 35 Bei Tagesanbruch schickten die obersten Beamten die Gerichtsdiener mit dem Befehl zu ihm: »Lass diese Leute gehen!« 36 Der Gefängnisaufseher teilte das Paulus mit: »Die führenden Männer lassen euch sagen, dass ihr frei seid. Ihr könnt jetzt unbesorgt die Stadt verlassen.«

37 Doch Paulus widersprach: »Sie haben uns in aller Öffentlichkeit geschlagen und ohne jedes Gerichtsverfahren ins Gefängnis geworfen, obwohl wir römische Bürger sind.[c] Und jetzt wollen sie uns heimlich und auf bequeme Weise loswerden! Aber das kommt gar nicht in Frage! Die Männer, die dafür verantwortlich sind, sollen persönlich kommen und uns aus dem Gefängnis führen.« 38 Mit dieser Nachricht kehrten die Gerichtsdiener zurück. Als die führenden Männer hörten, dass Paulus und Silas römische Bürger waren, erschraken sie 39 und liefen sofort zum Gefängnis. Sie entschuldigten sich bei Paulus und Silas, geleiteten die beiden hinaus und baten sie, die Stadt zu verlassen.

40 Paulus und Silas aber gingen zunächst in das Haus von Lydia. Dort hatte sich die ganze Gemeinde versammelt. Nachdem Paulus und Silas sie ermutigt hatten, im Glauben festzubleiben, verabschiedeten sie sich und verließen die Stadt.

Footnotes

  1. 16,6 Oder: durch die Landschaften Phrygien und Galatien. – Vgl. »Galatien« im Biblischen Personen- und Ortsverzeichnis.
  2. 16,10 Hier beginnt der erste von drei Berichten in der Wir-Form. Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, hat Paulus auf einigen seiner Reisen begleitet. Vgl. auch Kapitel 20,5–21,18; 27,1–28,16.
  3. 16,37 Das römische Bürgerrecht erhielt man normalerweise durch die Geburt, aber es konnte auch als Belohnung verliehen oder gekauft werden (vgl. Kapitel 22,28). Es beinhaltete gewisse Rechte, zum Beispiel das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren und die Berufung auf den Kaiser.