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Die Klage des Propheten vor dem Herrn

Die Last[a], die der Prophet Habakuk geschaut hat:

Wie lange, o Herr, rufe ich [schon], ohne dass du hörst! Ich schreie zu dir [wegen des] Unrechts, und du hilfst nicht.

Warum lässt du mich Bosheit sehen und schaust dem Unheil zu? Bedrückung und Gewalttat werden vor meinen Augen begangen; es entsteht Streit, und Zank erhebt sich.

Darum wird das Gesetz kraftlos, und das Recht bricht nicht mehr durch; denn der Gottlose[b] bedrängt den Gerechten von allen Seiten; darum kommt das Urteil verkehrt heraus!

Die Antwort des Herrn: Ankündigung des Gerichts durch die Chaldäer

Seht euch um unter den Heidenvölkern und schaut umher; verwundert und entsetzt euch! Denn ich tue ein Werk in euren Tagen — ihr würdet es nicht glauben, wenn man es erzählte!

Denn siehe, ich erwecke die Chaldäer, ein bitterböses und ungestümes Volk, das die Weiten der Erde durchzieht, um Wohnsitze zu erobern, die ihm nicht gehören.

Es ist schrecklich und furchterregend; sein Recht und sein Ansehen gehen von ihm selbst aus.

Schneller als Leoparden sind seine Rosse und rascher als Wölfe am Abend; seine Reiter kommen im Galopp daher, von fern her kommen seine Reiter; sie fliegen daher wie ein Adler, der sich auf den Fraß stürzt.

Sie gehen alle auf Gewalttaten aus; ihre Angesichter streben [unaufhaltsam] vorwärts, und sie fegen Gefangene zusammen wie Sand.

10 Es spottet über die Könige, und für Fürsten hat es nur Gelächter übrig; es lacht über alle Festungen, schüttet Erde auf und erobert sie.

11 Dann fährt es daher wie ein Sturmwind, geht weiter und lädt Schuld auf sich; denn diese seine Kraft macht es zu seinem Gott.

Habakuk bittet den Herrn um Begrenzung des Gerichts

12 Bist du, o Herr, nicht von Urzeiten her mein Gott, mein Heiliger? Wir werden nicht sterben! Herr, zum Gericht hast du ihn eingesetzt, und zur Züchtigung hast du, o Fels, ihn bestimmt.

13 Deine Augen sind so rein, dass sie das Böse nicht ansehen können; du kannst dem Unheil nicht zuschauen. Warum siehst du denn den Frevlern schweigend zu, während der Gottlose den verschlingt, der gerechter ist als er?

14 Du lässt die Menschen so behandeln wie die Fische im Meer, wie das Gewürm, das keinen Herrscher hat.

15 Er fischt sie alle mit der Angel heraus, fängt sie mit seinem Netz und sammelt sie in sein Garn; darüber freut er sich und frohlockt.

16 Darum opfert er auch seinem Netz und bringt seinem Garn Räucherwerk dar; denn ihnen verdankt er seine fetten Bissen und seine kräftige Nahrung.

17 Darf er aber darum sein Netz beständig ausleeren und ohne Erbarmen Völker hinmorden?

Die Antwort des Herrn: Der Gerechte wird durch den Glauben leben

Auf meine Warte will ich treten und auf dem Turm mich aufstellen, damit ich Ausschau halte und sehe, was Er mir sagen wird und was ich als Antwort weitergeben soll auf meine Klage hin! —

Da antwortete mir der Herr und sprach: Schreibe die Offenbarung nieder und grabe sie in Tafeln ein, damit man sie geläufig lesen kann!

Denn die Offenbarung wartet noch auf die bestimmte Zeit, und doch eilt sie auf das Ende zu und wird nicht trügen. Wenn sie sich verzögert, so warte auf sie, denn sie wird gewiss eintreffen und nicht ausbleiben.

Siehe, der Vermessene — unaufrichtig ist seine Seele in ihm;[c] der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.

Die Chaldäer werden ihrerseits gerichtet

Und dazu kommt noch, dass der Wein tückisch ist. Der übermütige Mann wird nicht bleiben; er, der seinen Rachen weit aufgesperrt hat wie das Totenreich und unersättlich ist wie der Tod, dass er alle Völker zu sich sammeln und alle Nationen an sich ziehen will.[d]

Werden nicht diese alle einen Spruch über ihn anheben und ein Spottlied in Rätseln auf ihn anstimmen? Man wird sagen: Wehe dem, der sich bereichert mit dem, was ihm nicht gehört — wie lange noch? —, und der sich mit Pfandgut beschwert!

Werden nicht plötzlich die aufstehen, die dich beißen werden, und die aufwachen, die dich wegjagen werden, sodass du ihnen zur Beute wirst?

Denn wie du viele Völker geplündert hast, so sollen alle übrig gebliebenen Völker dich plündern wegen des vergossenen Menschenblutes und wegen der Vergewaltigung des Landes, der Stadt und aller ihrer Bewohner!

Wehe dem, der ungerechten Gewinn macht für sein Haus, um dann sein Nest in der Höhe anzulegen und sicher zu sein vor dem Unglück![e]

10 Du hast beschlossen, was deinem Haus zur Schande gereicht, [nämlich] die Vertilgung vieler Völker, und durch deine Sünden hast du deine Seele verwirkt.

11 Ja, der Stein wird aus der Mauer heraus schreien und der Balken im Holzwerk ihm antworten.

12 Wehe dem, der Städte mit Blut baut und Ortschaften auf Ungerechtigkeit gründet!

13 Siehe, kommt es nicht von dem Herrn der Heerscharen, dass Völker fürs Feuer arbeiten und Nationen für nichts sich abmühen?

14 Denn die Erde wird erfüllt werden von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken.

15 Wehe dir, der du deinem Nächsten zu trinken gibst und ihm deinen Gluttrank einschenkst und ihn auch betrunken machst, um seine Blöße zu sehen!

16 Du hast dich an Schande gesättigt statt an Ehre; so trinke auch du und zeige dein Unbeschnittensein! Die Reihe wird auch an dich kommen, den Becher aus der rechten Hand des Herrn zu nehmen, und Schande wird auf deine Herrlichkeit fallen.

17 Denn die Gewalttat, die am Libanon begangen wurde, wird [dann] über dich kommen, und die Verheerung, [die an den] wilden Tieren [begangen wurde] und die sie[f] in Schrecken versetzte, [und zwar] wegen des vergossenen Menschenblutes und wegen der Vergewaltigung des Landes, der Stadt und aller ihrer Bewohner.

18 Ein gemeißeltes Bild – was nützt es, dass der Bildhauer es geschaffen hat; [was nützt] ein gegossenes Bild und ein Lügenlehrer dazu? Denn der es gemacht hat, vertraut auf sein eigenes Machwerk, sodass er stumme Götzen verfertigt.

19 Wehe dem, der zum Holz spricht: »Wache auf!« und zum stummen Stein: »Steh auf!«[g] Kann er denn lehren? Siehe, er ist in Gold und Silber gefasst, und es ist gar kein Geist[h] in ihm!

20 Aber der Herr ist in seinem heiligen Tempel – sei still vor ihm, du ganze Erde!

Das Gebet des Habakuk: Ausblick auf die Erscheinung des Herrn zum Gericht

Ein Gebet des Propheten Habakuk, eine heftige Wehklage.

O Herr, ich habe deine Botschaft vernommen;
ich bin erschrocken.
O Herr, belebe dein Werk inmitten der Jahre!
Inmitten der Jahre offenbare dich!
Im Zorn sei eingedenk deiner Barmherzigkeit! —

Gott kommt von Teman her
und der Heilige vom Berg Paran.[i] (Sela)
Seine Pracht bedeckt den Himmel,
und die Erde ist voll von seinem Ruhm.

Ein Glanz entsteht, wie Licht;
Strahlen gehen aus seiner Hand hervor,[j]
und dort ist seine Kraft verborgen.

Vor ihm her geht die Pest,
und die Fieberseuche folgt ihm auf dem Fuß.

Er bleibt stehen und misst die Erde,
er sieht hin, und die Heidenvölker erschrecken;
es zerbersten die uralten Berge,
es sinken die Hügel aus der Vorzeit;
er wandelt auf ewigen Pfaden.[k]

In Nöten sehe ich die Hütten Kuschans,
es zittern die Zelte des Landes Midian.

Ist der Herr über die Ströme ergrimmt?
Ergießt sich dein Zorn über die Ströme,
dein Grimm über das Meer,
Dass du auf deinen Rossen reitest,
auf deinen Wagen der Rettung?

Bloß, enthüllt ist dein Bogen;
deine Eide sind die Pfeile, gemäß deinem Wort. (Sela)
Durch Ströme zerteilst du das Land.

10 Wenn die Berge dich sehen, erzittern sie;
ein Platzregen flutet einher,
der Ozean lässt seine Stimme hören,
hoch gehen seine Wellen.

11 Sonne und Mond treten in ihre Wohnung[l]
beim Leuchten deiner fliegenden Pfeile,
beim Glanz deines blitzenden Speers.

12 Im Grimm schreitest du über die Erde,
im Zorn zerdrischst du die Heidenvölker.

13 Du ziehst aus zur Rettung deines Volkes,
zum Heil mit deinem Gesalbten[m];
du zerschmetterst das Haupt vom Haus des Gesetzlosen[n],
du entblößt die Grundmauer von unten bis oben. (Sela)

14 Du durchbohrst mit ihren eigenen Speeren das Haupt seiner Horden;
sie stürmten einher, um mich[o] in die Flucht zu schlagen,
und erhoben ihr Freudengeschrei,
als wollten sie den Elenden im Verborgenen verzehren.

15 Du betrittst das Meer mit deinen Rossen,
die schäumenden Wassermassen.

16 Als ich das hörte, erzitterte mein Leib;
wegen dieser Stimme erbebten meine Lippen;
Fäulnis drang in mein Gebein, und meine Füße zitterten.[p]
O dass ich Ruhe finden möchte[q] am Tag der Drangsal,
wenn der gegen das Volk heranzieht, der es angreifen will!

17 Denn der Feigenbaum wird nicht ausschlagen
und der Weinstock keinen Ertrag geben;
die Frucht des Ölbaums wird trügen,
und die Felder werden keine Nahrung liefern;
die Schafe werden aus den Hürden getilgt,
und kein Rind wird mehr in den Ställen sein.

18 Ich aber will mich freuen in dem Herrn
und frohlocken über den Gott meines Heils[r]!

19 Gott, der Herr, ist meine Kraft;
er macht meine Füße denen der Hirsche gleich
und stellt mich auf meine Höhen!
Dem Vorsänger, auf meinen Saiteninstrumenten.

Footnotes

  1. (1,1) vgl. Fn. zu Nah 1,1.
  2. (1,4) od. der Gesetzlose; so auch weiterhin.
  3. (2,4) Andere übersetzen: Siehe, vermessen, unaufrichtig ist seine Seele in ihm.
  4. (2,5) Die Erfüllung dieser Prophetie vom jähen Ende des letzten Chaldäerherrschers finden wir in Dan 5: der weintrunkene Belsazar bezahlt seinen Übermut mit dem Untergang.
  5. (2,9) w. vor der Hand des Unglücks.
  6. (2,17) d.h. die Tiere.
  7. (2,19) w. Erwache.
  8. (2,19) od. Lebensodem.
  9. (3,3) Teman lag im Gebirge Seir südöstlich des Toten Meeres, der Berg Paran westlich davon auf der Sinai-Halbinsel (vgl. 5Mo 33,2).
  10. (3,4) Andere Übersetzung: Strahlen leuchten an seiner Seite.
  11. (3,6) od. auf den Wegen der Vorzeit.
  12. (3,11) d.h. sie verfinstern sich.
  13. (3,13) od. Messias.
  14. (3,13) od. Gottlosen.
  15. (3,14) Der Prophet spricht hier für sein Volk.
  16. (3,16) w. wo ich stand, zitterte ich.
  17. (3,16) od. Ich werde ruhen.
  18. (3,18) d.h. den Gott, der mir Heil und Rettung verschafft.

Menschliches Unrecht und Gottes Gerechtigkeit (Kapitel 1–3)

Der Prophet klagt: Überall herrschen Unrecht und Gewalt

In diesem Buch ist die Botschaft aufgeschrieben, die Gott dem Propheten Habakuk offenbarte:

Herr, wie lange schon schreie ich zu dir um Hilfe, aber du hörst mich nicht. »Überall herrscht Gewalt!«, rufe ich dir zu, doch von dir kommt keine Rettung. Warum muss ich so viel Unrecht mit ansehen, und warum schaust du untätig zu, wie die Menschen einander das Leben schwer machen? Unterdrückung und Gewalt, wohin ich blicke, Zank und Streit nehmen kein Ende! Dagegen ist das Gesetz machtlos geworden, auf ein gerechtes Urteil hofft man vergeblich. Der Gottlose treibt den Unschuldigen in die Enge, und Recht wird in Unrecht verdreht.

Gottes Antwort

»Seht euch einmal unter den Völkern um! Ja, schaut genau hin, und ihr werdet aus dem Staunen nicht mehr herauskommen! Was ich noch zu euren Lebzeiten geschehen lasse, würdet ihr nicht für möglich halten, wenn andere es euch erzählten. Denn schon bald lasse ich die Babylonier zu großer Macht gelangen, dieses grausame und von Kampflust getriebene Volk. Ihre Truppen durchstreifen die ganze Welt und reißen ein Land nach dem anderen an sich. Sie verbreiten Furcht und Schrecken, sie herrschen mit Gewalt und schaffen sich ihr eigenes Recht. Ihre Pferde sind schneller als Leoparden und wilder als Wölfe auf ihrer nächtlichen Jagd. Aus weiter Ferne stürmen ihre Reiter heran; sie fliegen herbei wie Adler, die sich auf ihre Beute stürzen. Ihr einziges Ziel ist Blutvergießen, unaufhaltsam rasen sie vorwärts. Sie nehmen ihre Feinde gefangen, wie man Sand zusammenschaufelt. 10 Dann machen sie sich über die Könige lustig und treiben mit den angesehenen Männern ihren Spott. Über die Festungen ihrer Gegner lachen sie nur, sie schütten einen Belagerungswall auf und nehmen sie ein. 11 Dann ziehen sie weiter, wie ein Wirbelwind jagen sie davon und hinterlassen eine Spur der Verwüstung[a]. Ihre eigene Stärke ist ihr Gott!«

Herr, warum schweigst du?

12 O Herr, mein Gott, bist du nicht von jeher unser heiliger Gott? Du wirst uns nicht sterben lassen, denn du bist für uns wie ein schützender Fels. Die Babylonier hast du dazu bestimmt, dein Strafgericht an uns zu vollstrecken. 13 Dabei bist du doch zu heilig, um Böses mit ansehen zu können; du erträgst es nicht, wenn Menschen Unrecht geschieht. Warum siehst du dann dem Treiben dieser Verbrecher tatenlos zu? Warum schweigst du, wenn diese Gottlosen andere vernichten, die doch rechtschaffener sind als sie? 14 Du lässt sie mit den Menschen umgehen wie mit Fischen und anderen Meerestieren, die keinen Anführer haben und ihren Feinden schutzlos ausgeliefert sind. 15 Man holt sie alle mit Angeln und Netzen heraus und schleppt sie davon, voller Freude über den guten Fang. 16 Diese Fischer bringen ihren Netzen Opfer dar und verbrennen Weihrauch für sie, denn ihnen verdanken sie ihr üppiges Leben und reichen Gewinn. 17 Wie lange noch dürfen sie auf Beutezug gehen und ganze Völker erbarmungslos vernichten?

Jetzt will ich meinen Platz auf dem Turm an der Stadtmauer einnehmen. Dort halte ich wie ein Wachposten Ausschau und warte gespannt darauf, was der Herr mir auf meine Klage antworten wird.

Der Hochmütige wird zugrunde gehen!

Der Herr sprach zu mir: »Was ich dir in dieser Vision sage, das schreibe in deutlicher Schrift auf Tafeln nieder! Jeder, der vorübergeht, soll es lesen können. Denn was ich dir jetzt offenbare, wird nicht sofort eintreffen, sondern erst zur festgesetzten Zeit. Aber es wird sich ganz bestimmt erfüllen, darauf kannst du dich verlassen. Warte geduldig, selbst wenn es noch eine Weile dauert! Dies ist, was du schreiben sollst:

Nur der wird leben, der Gottes Willen tut und ihm vertraut.[b] Wer aber hochmütig und unaufrichtig ist, verfehlt sein Ziel. Wer sich auf seine Reichtümer verlässt, betrügt sich selbst.[c] Der Hochmütige wird zugrunde gehen, auch wenn er sein Maul so weit aufreißt wie das Totenreich und so unersättlich ist wie der Tod, ja, selbst wenn er jetzt noch ein Volk nach dem anderen verschlingt.«

Drohworte gegen einen mächtigen Herrscher

Eines Tages werden die eroberten Völker ein Spottlied über ihren Feind anstimmen. Mit ihren Anspielungen werden sie sich über ihn lustig machen und rufen:

»Wehe dir! Denn du hast fremden Besitz an dich gerissen. Wie lange soll das noch so weitergehen? Du bereicherst dich, indem du Pfand von anderen forderst. Doch mit einem Mal werden sie alles mit Zinsen von dir zurückfordern. Du wirst vor ihnen zittern – so wird der Räuber selbst zur Beute! Wie du ganze Völker ausgeraubt hast, so rauben sie dich dann aus. Sie zahlen dir heim, dass du so viele Menschen umgebracht und all ihre Städte und Länder verwüstet hast.

Wehe dir! Denn ständig willst du deinen Besitz vergrößern, und dabei ist dir jedes Mittel recht. Du tust alles, um dich sicher zu fühlen, über jede Gefahr erhaben wie ein Adler hoch oben in seinem Nest. Doch letzten Endes stürzt du dich und deine Familie damit nur ins Unglück. 10 Du hast beschlossen, viele Völker auszurotten, aber damit hast du dein Leben verwirkt! Es wird deinem Königshaus nichts als Schande einbringen! 11 Sogar die Steine in der Mauer schreien deine Untaten heraus, und die Sparren im Gebälk stimmen mit ein.

12 Wehe dir! Denn als du deine Stadt bautest, hast du viel Blut vergossen; deine Festung ist auf Unrecht gegründet. 13 Aber der Herr, der allmächtige Gott, hat das letzte Wort: Was Völker mühsam errichtet haben, hat keinen Bestand – ihre Bauwerke werden ein Raub der Flammen!

14 Wie das Wasser die Meere füllt, so wird die Erde einmal erfüllt sein von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn.

15 Wehe dir! Denn du hast deinen Nachbarvölkern einen Becher mit Gift[d] eingeschenkt. Sie taumelten wie Betrunkene, und du hast ihre Schande genossen. 16 Bald aber wirst du selbst vor Scham vergehen; dann ist es vorbei mit all deiner Herrlichkeit. Die starke Hand des Herrn wird dir den Becher reichen, der mit seinem Zorn gefüllt ist. Du musst ihn austrinken und wirst selbst entblößt[e]. So wird auch deine Ehre in den Schmutz gezogen.

17 Du hast den Libanon abgeholzt und sein Wild ausgerottet. Das kommt dich teuer zu stehen! Du hast Menschen umgebracht und all ihre Städte und Länder verwüstet; dafür wirst du büßen müssen.

18 Kann eine Götterfigur, die ein Mensch geschnitzt oder gegossen hat, ihm etwa helfen? Sie ist ein glatter Betrug! Wie kann jemand einem stummen Götzen vertrauen, den er selbst gemacht hat?

19 Wehe dir! Denn du sagst zu einem Stück Holz: ›Wach auf!‹, und zu einem toten Stein: ›Werde lebendig!‹. Kann denn ein solcher Götze einen guten Rat erteilen? Er ist mit Gold und Silber überzogen, aber er hat kein Leben in sich! 20 Der Herr dagegen wohnt in seinem heiligen Tempel. Seid still vor ihm, ihr Menschen auf der ganzen Welt!«

Gott greift ein

Ein Gebet des Propheten Habakuk:[f]

Herr, ich habe von deinen großen Taten gehört,
deine Werke erfüllen mich mit Ehrfurcht.
Greif in dieser Zeit noch einmal so machtvoll ein,
lass uns bald wieder dein Handeln erleben![g]
Auch wenn du im Zorn strafen musst –
so hab doch Erbarmen mit uns!

Von Teman kommt er, der heilige Gott,
vom Bergland Paran zieht er heran.[h]
Sein Glanz strahlt über den Himmel,
und sein Ruhm erfüllt die ganze Erde.
Wie das Sonnenlicht bricht seine Herrlichkeit hervor,
um ihn leuchtet es hell,
und in den Strahlen verbirgt sich seine Macht!
Vor ihm her geht die Pest,
und wo er vorbeigezogen ist,
greift die Seuche um sich.
Wo immer sein Fuß hintritt, bebt die Erde;
trifft sein Blick die Völker, so erschrecken sie.
Berge aus grauer Vorzeit bersten auseinander,
uralte Hügel sinken in sich zusammen;
so schreitet er wie früher über unsere Erde.

Ich sehe die Zelte von Kuschan[i] erzittern,
und auch die der Midianiter geraten ins Wanken.
Wem gilt dein Zorn, Herr?
Den großen Strömen oder den Fluten des Meeres?
Gegen wen ziehst du mit deinen Pferden in den Krieg,
wohin rasen deine siegreichen Streitwagen?
Jetzt holst du den Bogen zum Kampf hervor,
du hast geschworen,
dass deine Pfeile treffen!
Du spaltest die Erde,
bis Ströme hervorbrechen.
10 Bei deinem Anblick erbeben die Berge,
dichter Regen prasselt vom Himmel nieder,
das Meer braust,
seine Wogen türmen sich auf.
11 Sonne und Mond stehen still,
wenn deine leuchtenden Pfeile fliegen
und dein Speer am Himmel aufblitzt.

12 Ja, voller Zorn schreitest du über die Erde
und schlägst die Völker,
wie man Weizen drischt.
13 Du bist gekommen,
um dein Volk zu retten,
du stehst dem König bei,
den du auserwählt hast!
Vom Palast des Unterdrückers reißt du das Dach herab,
nur noch ein paar Grundmauern bleiben übrig.
14 Seine Heerführer sind entschlossen, uns zu vernichten.
Schon stürmen sie heran und freuen sich darauf,
uns Wehrlose in einen Hinterhalt zu locken
und zu töten wie ein Löwe seine Beute.
Doch du durchbohrst sie mit ihren eigenen Pfeilen!
15 Für deine Pferde bahnst du dir einen Weg,
du reitest mit ihnen mitten durchs Meer,
auch wenn seine Fluten noch so hoch steigen.

Gott, der Herr, macht mich stark!

16 Als Gott mir dies alles zeigte,
fing ich am ganzen Leib an zu zittern.
Seine Worte ließen meine Lippen beben,
der Schreck fuhr mir in die Glieder,
und ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten.
Aber nun will ich ruhig auf den Tag warten,
an dem das Unheil über dieses Volk hereinbricht,
das zum Angriff gegen uns bläst.

17 Noch trägt der Feigenbaum keine Blüten,
und der Weinstock bringt keinen Ertrag,
noch kann man keine Oliven ernten,
und auf unseren Feldern wächst kein Getreide;
noch fehlen Schafe und Ziegen auf den Weiden,
und auch die Viehställe stehen leer.
18 Und doch will ich jubeln,
weil Gott mich rettet,
der Herr selbst ist der Grund meiner Freude!
19 Ja, Gott, der Herr, macht mich stark;
er beflügelt meine Schritte,
wie ein Hirsch kann ich über die Berge springen.

Anweisung für den Dirigenten: Dieses Lied soll mit Saiteninstrumenten begleitet werden.

Footnotes

  1. 1,11 Oder: und häufen dabei immer mehr Schuld auf sich.
  2. 2,4 Wörtlich: Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.
  3. 2,5 So nach einigen alten Handschriften. Der hebräische Text lautet: Der Wein ist trügerisch.
  4. 2,15 Oder: (einen Becher) voll Zorn.
  5. 2,16 Oder nach einigen alten Handschriften und Übersetzungen: stürzen.
  6. 3,1 Im Hebräischen steht hier noch ein Wort, das nicht sicher zu deuten ist. Vermutlich handelt es sich um eine musikalische Anweisung, wie das folgende Gebet gesungen werden soll.
  7. 3,2 Oder: Herr, ich habe deine Botschaft gehört, dein Plan erfüllt mich mit Ehrfurcht. Führe ihn aus, sobald es geht, vollende dein Werk, solange wir leben!
  8. 3,3 Im hebräischen Text steht hier noch das Wort »Sela«. Vermutlich handelt es sich dabei um eine musikalische Anweisung, die genaue Bedeutung ist jedoch unsicher. Man könnte zum Beispiel an ein Lauterwerden der Instrumente oder an ein musikalisches Zwischenspiel denken. Ebenso in den Versen 9 und 13 sowie an vielen Stellen in den Psalmen.
  9. 3,7 Möglicherweise eine Region in der Nähe von Midian oder eine andere Bezeichnung für Kusch, das heutige Äthiopien.